DDR

Spielplätze und -skulpturen in den DDR:
industriell und individuell

In der DDR gilt der jungen Generation die besondere Förderung der Gesellschaft. In der Geschichte der DDR stand stets die Sorge um die Schaffung immer günstigerer Bedingungen für die gesunde, harmonische, für die glückliche Entwicklung der Kinder an erster Stelle“ betonte Margot Honecker, Minister für Volksbildung der DDR 1979 zum Internationalen Jahr des Kindes (zitiert in Autorenkollektiv, S. 5).

Aufbauend auf die Gesetze über den Mutterschutz und die Rechte der Frau kamen den Einrichtungen für die Betreuung von Kindern grosse Bedeutung zu, dazu gehörte auch der Raum zum Spiel im Freien. Die Mehrheit der Kinder besuchte entweder Kinderkrippe, Kindergarten oder Schulhort.

Plastik „Regenwurm“ von Peter Michael, 1969, Halle-Neustadt, WK II

Die Errichtung von Kinderspielplätzen gehörte ebenso zur Planung von Kindereinrichtungen (sog. Kinderkombinationen), wie zur Planung von Wohnsiedlungen. Bis in die 1970er Jahren kamen neben Sandspielkasten mehrheitlich Stahlrohrgeräte zum Einsatz, zunehmend auch Geräte aus Holz.

Es entstanden aber auch erste Spielskulpturen: so der legendäre Rutschelefant aus Beton. Der seriell hergestellte und weit verbriete Rutschelefant stammt von der Produktegemeinschaft „Kunst am Bau“ Dresden. 1962 von den Bildhauern Vinzenz Wanitschke, ­Johannes Peschel und Egmar Ponndorf entworfen, ging er 1965 in serielle Produktion.

Vinzenz Wanitschke, ­Johannes Peschel und Egmar Ponndorf:
Rutschelefant (1962)

Die im Westen beliebten Bauspielplätze gab es in der DDR offiziell nicht. Das Ministerium für Volksbildung lehnte sie ab mit der Begründung, dass man das „ungeordnete Hantieren auf diesen Spielplätzen ablehne, und, dass konstruktives und kreatives Spiel in Arbeitsgemeinschaften angeboten werde“ (Filz ist Verdichtung, S. 21).

Dank industrieller Bauweise sollte im Fünfjahresplan 1971-1975 die Produktivität im Wohnungsbau gesteigert werden. Dies betraf auch Einrichtungen zur „Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung“, also auch Einrichtungen für Kinder, wie Schulen und Kindergärten, aber auch sog. „Spielanlagen“.

oben: „Spielanlagen sind ein fester Bestandteil unserer Wohngebiete“;
unten: Spielskulptur „Schnecke“ von Gerd Kaden

Mit dem VIII. Parteitag der SED 1971 kurbelten Partei und Regierung nicht nur den Wohnungsbau an, es begann auch ein neuer Abschnitt in der Kulturpolitik der DDR: Kultur sollte fortan ein massgeblicher Teil in der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft sein. Im Februar 1972 wurde das Amt für Industrielle Formgestaltung (AIF) gegründet, dadurch sollte Design für den Alltag der gesamten Bevölkerung aber besonders für Kinder einen grösseren Stellenwert erhalten. Das AIF bemühte sich, die industrielle Formgestaltung auf dem Spielplatz zu verbessern: „überall in unserer Republik arbeiten Formgestalter an Projekten, die der Verbesserung der Umwelt unsere Kinder dienen, ihnen das Leben erleichtern und die Bedingungen für eine sozialistische Persönlichkeitsentwicklung ausbauen.„ (zitiert in AIF, 1974)

Spielelemente DDR, 1975

In Wahrheit verschlechterte sich mit der Gründung des AIF der Status der freien Designer. Vor 1972 war es ausreichend, Mitglied im Verband Bildender Künstler VBK zu sein, um als Designer frei tägig zu sein. Danach waren Hersteller verpflichtet, einen Designauftrag zuerst dem AIF vorzulegen, das diesen dann einem Designer zuwies. (Pfützner, S. 70) Der VBK dagegen unterstützte Künstler und Designer, indem er ein starkes Netzwerk schuf. Die Designer arbeiteten in Arbeitsgruppen zusammen und unterstützten sich gegenseitig. Von den sechs AGs widmet sich „Kind-Umwelt“ unter der Leitung von Manfred Schindler dem Design für Kinder.

Ab 1973 wurden vermehrt experimentelle Spielanlagen geschaffen, die einen starken Vorbildcharakter hatten: z. B. Im Volkspark Friedrichshain und im Monbijoupark in Berlin oder die Spielbereiche auf dem Gelände der iga in Erfurt. (Autorenkollektiv, S. 14) Für die iga entwarf Georg Büchner ein modulares Holzspielgerät. Die Hoffnung war, dass die Qualität und Effizienz durch serielle Geräte erhöht werden könnte. In Wahrheit gingen keine oder wenige Geräte in die serielle Produktion obwohl sie in diesem Hinblick gestaltet worden waren.

unten: Hans Georg Büchner: Fertigteil aus Holz für die Ausstattung von Kinderspielplätzen (1974). Hersteller: VEB Wohnungsbaukombinat Berlin, Abteilung Grünanlagen.

Spielplatzdesigner sollten einerseits für die Masse produzieren, andererseits Gegenwelten zur städtebaulichen Monotonie der Plattenbauten schaffen. Um die Monotonie zu durchbrechen, entwarfen Künstler und Designer bildhafte und figürliche Spielskulpturen, so der Holztierzoo im Wohngebeie Leninalle/ Ho-Ch-Minh-Stadt von Günter Schumann.

Holztierzoo im Wohngebeie Leninalle/ Ho-Ch-Minh-Stadt (Wohngebiet 3)
mit Tierplastiken von Günter Schumann, Zwenkau
Ute Fritzsch: Spielskulptur aus rotem Beton, Frankfurt/Oder, 1976-1980.
Quelle: Form + Zweck 1982/2 S. 30

Andere versuchten den Spagat zwischen seriell produzierbarer und moderner abstrakter Spielskulptur, so die Formgestalterin Ute Fritzsch oder das Gestaltungsatelier GAT bestehend aus den Formgestaltern Peter Rossa, Gunter Wächtler und Wolf-Dieter Schulze. Wie es für freelance-Designer üblich war, mussten sie Aufträge in den Betrieben ausserhalb der staatlich vorgegebenen Produktion ausführen lassen. Die Betriebe hatten kaum die Kapazität, serielle Spielskulpturen zu produzieren. Das oft abgebildete modulare Spielsystem von Roland Löffler und Werner von Strauch von 1969 aus glasfaserverstärktem Polyester, fand beispielsweise keinen Produzenten.

oben: Roland Löffler, Werner von Strauch (Hochschule für Industrielle Formgestaltung Halle): Spielsystem für Kinderspielplätze, Polyester; unten: H. Behr (VEB Stadtgrün Berlin): Spielpark Zillerpark, Berlin-Mitte
Schwedt (Oder) Wohnkomplexe VI (realisiert 1967-1973)

Ein Höhepunkt für das Spieldesign war das Internationale Jahr des Kindes, in dem das Internationale Entwurfsseminar „Playgrounds ’79“ des International Council of Societies of Industrial Design ICSID im Bauhaus Dessau stattfand. Läutete im Westen das Internationale Jahr des Kindes gewissermassen das Ende des Interesses für das Kind ein, ging die Entwicklung im Osten in eine neue Phase über, in der sich zunehmend auch BürgerInnen für Spielbelange engagierten.

1979 bildete sich in Berlin die Spielwagen-Bewegung, „eine neue Form der Spielförderung und des Spiels in der Stadt“. SPIELWAGEN war eine mobile Spielbetreuung: ein Fundus von Material, der in einem umbebauten Möbelanhänger zu den Kindern ins Quartier fuhr. SPIELWAGEN wollte die Kinder am Geschehen der Stadt teilnehmen lassen, wollte sie nicht auf Spielanlagen abschotten. Die BetreuerInnen und BetreiberInnen fassten die ganze städtische Umwelt als Spiel- und Erfahrungsraum auf.

SPIELWAGEN-Gruppen, gebildet aus verschiedensten, nicht-pädagogisch gebildeten Leuten gab es in Berlin, Dresden, Leipzig, Halle, Magdeburg, Potsdam, Gera und Olbernhau (Sachsen). Die Gruppe SPIELWAGEN BERLIN I stand im Austausch mit der Pädagogischen Aktion in München und der polnischen Gruppe pARTner.

Spielwagen Berlin: Spielaktionen.
Quelle: form+zweck 1981/2, S. 31

Im Laufe des 10-jährigen Bestehens von Spielwagen wurden Projekte und Spielaktionen wie „Spiellandschaft Stadt“, „Stadtspiel“, ein Bauspielfest und ein Lehmbaufest durchgeführt.

Spielwagen Berlin I: Lehmbaufest
Quelle: form+Zweck 1988/6, S. 28

1990 erstritten die Betreiber von SPIELWAGEN den Aufbau eines „Netzwerkes Kinderkultur“. Daraus entstand Netzwerk Spiel/Kultur ein gemeinnütziger anerkannter freier Träger der Jugendhilfe und damit Dach unterschiedlichster Projekte und Einrichtungen, u.a. dem „Abenteuerlichen Bauspielplatz Kolle 37″ in Berlin Prenzlauer Berg.

Die Gründer des Vereins Netzwerk Spiel/Kultur gehörten zu den Menschen, die bereits in den 1980er Jahren in Berlin Prenzlauer Berg „Erziehung“ hinterfragten. Sie kritisierten die gängige Pädagogik und stritten mit ihren Spielaktionen für ein gleichberechtigtes Miteinander von Kindern und Erwachsenen“ (zitiert im Jahresbericht 2019 des Vereins Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V.).

©Gabriela Burkhalter

Quellen:
Werner Rietdorf, Neue Wohngebiete sozialistischer Länder, VEB Verlag für Bauwesen Berlin, 1975

Autorenkollektiv, Spielanlagen für Kinder und Jugendliche, VEB Verlag für Bauwesen Berlin, 1979

AIF, Gestaltet für Kinder. Dinge zum Spielen und Lernen (Ausstellungskatalog), Berlin 1974.

Katharina Pfützner, Designing for Socialist Need : Industrial Design Practice in the German Democratic Republic. London: Routledge, 2018. Routledge Research in Architecture.

Heinz Hirdina, Gestalten Für die Serie : Design in Der DDR : 1949 – 1985. Dresden: VEB Verlag Der Kunst, 1988.

Jahresberichte 2018 und 2019 des Verins Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V.

siehe auch: Peter Fibich: Von Kletterpilzen und Rutschelefanten. Öffentliche Spielplätze in der DDR, in: Die Gartenkunst, Heft 1/2016, S. 119-126

post vom 29. Juni 2020

oben: Iglu aus Plast aus Hochdruckbehältern von Ursula Wünsch, Formgestalterin Berlin. Im Auftrag des WBK Berlin, Abteilung Grünanlagenbau.

Wohnkomplex Leninplatz, Berlin, Lenindenkmal