Spielwagen Berlin

gegründet 1979 in Berlin-Ost durch Bernd Stude mit dem Kollektiv Spielwagen.

Spielwagen trat zum Internationalen Kindertag und dem 1. Nationalen Jugendfestival am 1. Juni 1979 auf der Lichtenberger Parkaue in Aktion. Das Kollektiv Spielwagen Berlin (anfänglich eine Gruppe von 12 Erwachsenen) nahm hier erstmals mit einem alten, umgerüsteten Möbelwagen, eine Art fahrende Spielzeugkiste, teil. Mit dem Möbelwagen fuhr das Kollektiv durch verschiedene Stadtbezirke Ostberlins, v.a. Friedrichshain, Prenzlauer Berg, und die Neubaugebiete Hellersdorf und Marzahn. Die Firma Autotrans aus Ostberlin erklärte sich bereit, den Wagen durch Berlin und später durch die DDR zu ziehen.

Jeden Monat fanden zwei bis drei Spielaktionen in Berliner Wohngebieten statt. 30-150 Kinder nehmen daran teil. In den Sommermonaten fuhr der Spielwagen, der mit verschiedenartigen Materialien und Werkzeugen, Geräten und Requisiten ausgestattet war, auf Wiesen und Schulhöfe, Bürgersteige, Stadtplätze und andere öffentliche Bereiche. Im Winterhalbjahr spielte das Kollektiv mit geringerem Gepäck in Turnhallen, Schulaulen und Klubs.

Die Presse wurde auf die andere Art, in der Öffentlichkeit zu spielen, aufmerksam. Das DEFA-Dokumentarfilmstudio drehte 1981 einen Film über Spielwagen, der im Kinderfernsehen und in Kinos als Vorfilm lief. Bernd Stude zog danach mit einer Filmkopie in die Bezirksstädte Dresden, Leipzig, Halle und Potsdam. In diesen Städten bildeten sich danach ebenfalls Spielwagen-Gruppen. Ab 1981 kann man von einer eigentlichen Spielwagen-Bewegung sprechen.

Szenen aus dem Spielwagenfilm

Bernd Stude, Architekt und Gründer von Spielwagen, arbeitete während acht Jahre an der Bauakademie. In dieser Zeit spielte er in seiner Freizeit in einer Köpenicker-Schule mit Kindern Theater, richtete in seinem Wohnhaus für jüngere Schulkinder einen Hausspielklub ein und organisierte im Rahmen des jährlichen Wohngebietsfestes ein Kinderfest – bzw. eine Kinderspielwerkstatt – auf der Wiese hinter dem Kino Kosmos in Friedrichshain. Aus diesen Erfahrungen entstand die Idee des Spielwagens. 1978 verlässt Stude die Bauakademie und wird zuerst Leiter eines Jugendklubs und danach Freischaffender bei Spielwagen. Als Volkskunstkollektiv war das Kollektiv Spielwagen Berlin beim Berliner Haus für Kulturarbeit angeschlossen. (Manthey, S. 25)

1985 teile sich das Kollektiv in zwei Gruppen auf: Spielwagen Berlin 1 und Spielwagen Berlin 2. Während die erste im Gebiet Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg aktiv war, verblieb die zweite Gruppe um Stude, Angelika Neumann, Steffen Kopf u.a. in Friedrichshain. Spielwagen Berlin 1 um Jens-Holger Kirchner, Martin Sorge oder Annett Rose übernahm den Spielwagen und veranstaltete Bauspiele, Scheesenrennen und Lehmbaufeste, während Spielwagen Berlin 2 zum darstellenden Theater zurückkehrte. (Manthey S. 30-31)

Lehmbaufest in einem Ostberliner Neubaugebiet

Zwischen 1987-88 spaltete sich von Spielwagen 2 die „Spiel-Unke“ um Ralf Kussatz, Irina Mohr u.a. ab und nutze für ihre Spielaktivitäten einen Laden des Wohnbezirksausschusses in der Oderberger Strasse 44 im Prenzlauer Berg. (Manthey S. 38)

Spielwagen 1035“ unter der Leitung Volker Hedemanns spaltete sich 1988-89 von „Spielwagen Berlin 1“ und entfaltete seine Aktivitäten rund um den Friedrichshainer Forckenbeckplatz.

©Gabriela Burkhalter

Quellen:
AIF, ORNAMO, Plätze zum Spielen, Berlin 1985, S. 164-184.
Nilson Kirchner, Martyn Sorge, Susanne Wetzel (Hrsg.), Filz ist die Verdichtung von Netzwerk Spiel/Kultur im Prenzlauer Berg: Konzepte, Alltag, Perspektiven, Netzwerk Spiel/Kultur, Berlin 1991.

Florian Frederik Manthey, Ringen um Spielräume, Ost-Berliner Spielwagengruppen als kulturelle Akteure, 1979-1990, Masterarbeit, Berlin 2019.

siehe auch: Spielwagen Magdeburg, 1990 gegründeter Verein, von 1984-1990 fanden Spielaktionen an verschiedenen Orten statt.

siehe auch: Der Spielwagen, Berlin-Pankow

Post vom 28. Januar 2021

Papierspielaktion, von Mitgliedern des Kollektivs jedoch nicht im Kontext von Spielwagen organisiert.
Scheesenrennen in Greiz
Zirkus RADEBUM auf einer Elbwiese
Zirkus am Kinderheim in einem Ostberliner Neubaugebiet
Wassermaschine auf einem Berliner Schulhof